Zyklen als Sprache des Marktes

Stell dir vor, die Bitcoin-Welt ist ein großes Uhrwerk. Zahnräder drehen sich, manche langsamer, manche schneller — aber alles ist miteinander verbunden. Die wichtigsten Zahnräder sind die Halvings (die Emissions-Stops), die zu wiederkehrenden Bullen- und Bärenzyklen führen. Daneben versuchen Forscher und Analysten, Muster in den Bewegungen zu finden — Power-Law-Modelle, S-Kurven-Adoption und noch einiges mehr.

Heute wollen wir diese Mechanik erklären: Was passiert beim Halving? Warum folgen oft große Anstiege? Warum brechen Modelle? Und vor allem: Wo stehen wir wirklich im Zeitstrahl der Adoption?

👉 Spoiler: Wir sind noch sehr früh.

Was ist ein Halving? Kurz, knapp, Bildhaft

Das Halving ist eingebaut in die Regeln von Bitcoin: etwa alle 210.000 Blöcke (≈ alle 4 Jahre) wird die Belohnung, die Miner für das Erzeugen eines Blocks bekommen, halbiert. Das war so von Anfang an vorgesehen — eine programmierte Verknappung.

  • Start (Genesis): Block-Reward = 50 BTC.

  • Erste Halbierung (2012): 25 BTC.

  • 2016: 12.5 BTC.

  • 2020: 6.25 BTC.

  • 2024: 3.125 BTC (die vierte Halving-Runde)

  • 2028: 1.5625 BTC

👉 Warum das wichtig ist? Weil die Rate, mit der neue Bitcoin in Umlauf kommen, sich bei jedem Halving halbiert. Wenn das Angebot langsamer wächst, dann verändert das das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage und erzeugt grundsätzlich Knappheits-Dynamiken — das ist das Herz des monetären Arguments für Bitcoin.

Wie viele Halvings gibt es noch — und bis wann werden neue Coins geschöpft?

Die Emission von Bitcoin ist so programmiert, dass sie asymptotisch auf 21 Millionen BTC zusteuert. Aufgrund der Halbierungsregel dauert dieser Prozess sehr lange — voraussichtlich bis etwa 2140, wenn die letzten Stücke der Ausgabe praktisch fertig sein werden. Das bedeutet: selbst nach Jahrzehnten fließt noch neu produziertes Bitcoin-Vermögen in den Markt, wenn auch immer langsamer.

Rechnerisch heißt das auch: Wir haben erst einen sehr kleinen Bruchteil der in der Zukunft geplanten Emissions-Ereignisse erlebt. Seit dem Start gab es (bis 2024) vier Halvings. Das ist wirklich nur der Anfang — von den etwa 33 halbierenden Schritten (die in der Gesamtbetrachtung bis zur effektiven Erschöpfung der Ausgabe gerechnet werden), sind wir noch ganz am Anfang.

👉 Kurz: die monetäre Geschichte von Bitcoin läuft noch viele Jahrzehnte.

Halving → Märkte reagieren: Warum es oft Bullenzyklen gibt

Historisch hat ein Halving häufig große Preisbewegungen nach sich gezogen. Die Logik ist simpel und intuitiv:

  1. Sofortiger Angebotsdruck: Miner erhalten künftig weniger neu ausgegebene BTC pro Block.

  2. Erwartung & Antizipation: Marktteilnehmer erwarten eine geringere Nettomittelzufuhr und positionieren sich im Vorfeld.

  3. Knappheit trifft Nachfrage: Wenn Nachfrage gleich bleibt oder steigt, führt eine relative Angebotsverknappung zu Preissteigerung.

Doch zwei Warnungen dazu:

  • Korrelation ≠ Kausalität: Halvings fallen oft in Zeiten steigender Aufmerksamkeit und Flut von neuen Anlegern (ETFs, Medien, Makro-Liquidität). Man darf nicht automatisch nur das Halving als Preishebel ansehen.

  • Timing-Effekt: Oft ist der Markt bereits „pre-priced“. Das heißt: Erwartungen sind eingepreist, und es kann zu starken Korrekturen kommen, nachdem die Euphorie abklingt.

👉 Kurz: Halvings sind ein bedeutender Knappheitsgenerator — aber der Markt ist komplex genug, so dass Preisreaktionen unterschiedlich ausfallen können.

Bullen- und Bärenzyklen — das typische Narrativ

Wenn du dir die Preisgeschichte ansiehst, entsteht oft ein typisches Narrativ:

  • Vor-Halving: akkumulative Phase, Aufbau von Positionen.

  • Nach-Halving (12 Monate bis 18 Monate): Aufwärtsbewegung, häufig starker Run.

  • Exzessionsphase / Marktspitze: Spekulation, extreme Volatilität.

  • Korrektur / Bärenmarkt: Deleveraging, Bereinigung, Neuordnung.

👉 Wichtig zu verstehen: Das ist kein Maschinengewehr-Plan, der immer exakt gleich abläuft — es ist eher eine Tendenz, ein wiederkehrendes Muster. Manche Zyklen dauern länger, manche sind schärfer. Aber die Rhythmik bleibt: Angebotsschock (Halving) → erhöhte Aufmerksamkeit → Nachfrage → Bullrun.

Power-Law-Modelle: Was sie zeigen — und wo sie scheitern

In den letzten Jahren sind verschiedene quantitative Modelle populär geworden, die die langfristige Entwicklung von Bitcoin-Preisen mit Power-Law-Relationen beschreiben. Kurz gesagt: diese Modelle legen nahe, dass Bitcoin-Preis und Zeit (oder Netzwerkmetriken) sich über viele Größenordnungen einem Potenzgesetz unterwerfen — also eine gerade Linie in einem Log-Log-Plot ergeben. Manche interaktive Charts zeigen Support- und Resistance-Bänder entlang einer Power-Law-Kurve, die als grobe langfristige Orientierung dienen.

👉 Wichtig: Power-Law-Modelle sind nützlich, weil sie ein skalierbares Muster zeigen — sie fassen konsistent, wie schnelle Wachstumsphasen (parabolisch) in lang­erfristigen Trends eingebettet sind. Aber:

  • All models will be broken. Jedes Modell ist eine Vereinfachung. Exogene Ereignisse (Regulierungsschocks, technischer Durchbruch, Black-Swan-Ereignisse) können historische Regularitäten aufbrechen.

  • Overfitting-Gefahr: Wenn man ein Modell lange genug an die Geschichte anpasst, sieht es „wahr“ aus — aber Vergangenheit ist kein Garant für Zukunft.

👉 Das vernünftige Vorgehen ist also: Power-Law als Werkzeug, nicht als Orakel. Nutze es zur Einordnung, nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage.

S-Kurven: Adoption erklärt (und warum wir früh dran sind)

Wenn neue Technologien die Welt verändern, folgen sie oft einer S-Kurve (Diffusion of Innovations): langsames Frühstadium (Innovatoren), schneller Übergang (frühe Mehrheit), dann Sättigung (späte Mehrheit und Nachzügler). Beispiele: Telefon, Internet, Smartphones, Streaming. Bitcoin verhält sich ähnlich — aber mit eigener Dynamik:

  • Phase 1 (Innovatoren): technische Early Adopters, Cypherpunks, Entwickler (2009–2013).

  • Phase 2 (Early Adopters / frühe Investoren): frühe Börsen, Retail-Interesse, erste Medien-Hypes (2013–2017).

  • Phase 3 (Early Majority): institutionelles Interesse, ETFs, Länderinteresse (seit ca. 2020–2025).

Analysen zeigen, dass Bitcoin viele klassische Adoption-Merkmale einer S-Kurve erfüllt — und wir laut mehreren Indikatoren noch vor dem steilen mittleren Anstieg stehen oder gerade am Anfang des steileren Abschnitts sind.

👉 Kurz: wir sind früh, nicht spät.

👉 Wesentliche Folge: Adoption kommt nicht linear. Wird die S-Kurve zur Hauptbewegung, dann können Preise schnell und heftig ansteigen — genau weil Nachfrage und Bekanntheit exponentiell zunehmen.

Warum „früh“ auch technisch Sinn macht: Ausgabe bis 2140 & nur wenige Halvings vergangen

Technisch gesehen ist der Monetarisierungsprozess noch sehr weit von seinem Ende entfernt: neue Bitcoins werden noch bis ca. 2140 ausgegeben und wir hatten bis 2024 nur vier von 32 Halvings.

Das heißt: viele zukünftige Reduzierungen der jährlichen Emission liegen noch vor uns. In Zahlen: die Verteilung der restlichen Emissionen ist extrem langfristig — das ist monetär relevant.

👉 Praktische Schlussfolgerung: Wenn du Bitcoin als langfristige, zeitgestützte Wette auf monetäre Knappheit betrachtest, kann die Zeit dein Freund sein — denn die Knappheit wird graduell, über Jahrzehnte, wirksam.

All models will be broken — Umgang mit Unsicherheit

Ein Kernsatz, den du dir merken kannst: „All models will be broken.“ Das heißt: Modelle (Power-Law, Log-Periodic, On-chain-Metriken) sind Hilfsmittel, aber nie absolute Wahrheiten. Warum?

  • Modelle beruhen auf historischen Beziehungen.

  • Die Zukunft kann neue Mechanismen einführen (z. B. massive Regulierungen, neue finanzpolitische Tools, geopolitische Eingriffe).

  • Menschen ändern ihr Verhalten, und das kann Kettenreaktionen auslösen, die kein Modell antizipiert.

👉 Deshalb: Modelle behalten, aber nicht an ihnen hängen. Sie sind Landkarten, keine Landschaften. Nutze sie, um Kontext zu gewinnen, nicht um blind zu folgen.

Praktische Lernpunkte

Okay — genug Theorie. Was nimmst du konkret mit?

  1. Halvings sind große strukturelle Ereignisse. Sie reduzieren neue Angebotszuflüsse — das ist wichtig für das langfristige Angebot/Nachfrage-Gleichgewicht.

  2. Historische Zyklen wiederholen sich nicht identisch. Aber sie lehren Wahrscheinlichkeiten: erhöhte Chance für Aufwärtsbewegungen post-Halving, gefolgt von Bereinigung.

  3. Modelle (Power-Law etc.) helfen, langfristigen Kontext zu sehen. Aber halte Puffer, falls das Modell falsch liegt.

  4. Adoption ist noch jung. Wir stehen auf der S-Kurve früh genug, um vom mittleren Anstieg profitieren zu können, falls die Adoption weitergeht.

  5. Time > Timing. Wenn du langfristig denkst (Sparplan, DCA), profitierst du historisch gesehen eher als beim Versuch, den absoluten Boden zu treffen.

Ein kleiner (freundlicher) Realismus-Check

  • Bitcoin ist volatil. Das bleibt. Dips können dir den Schlaf rauben — und das ist normal.

  • Niemand hat eine Kristallkugel. Wer behauptet, genaue Zeitpunkte zu kennen, ist unseriös.

  • Was wir aber haben: Mechanismen. Wir kennen die Regeln. Wir können Szenarien durchspielen — und daraus rationale, robustere Entscheidungen ableiten.

Warum die Uhr erst warmläuft

Bitcoin ist eine sehr lange Geschichte in einem beschleunigten Zeitfenster. Halvings sind die mechanische Uhr des Systems; Bullen- und Bärenmärkte sind die Wetterlagen. Power-Law-Modelle und S-Kurven helfen uns, Muster zu sehen — aber sie ersetzen nicht das nüchterne Bewusstsein für Brüche und Überraschungen.

Das Entscheidende ist: Wir sind früh. Monetäre Emissionen laufen noch Jahrzehnte. Adoption schreitet voran, aber wir sind nicht im späten Stadium. Wenn du also Geduld, Demut gegenüber Modellen und Bereitschaft zum Lernen mitbringst, dann ist jetzt ein ausgezeichnetes Zeitfenster, um langfristig zu denken.

(Die wichtigsten Belege, mit denen ich die zentralen Punkte untermauert habe — lies gern nach.)

Kleiner Impuls zum Schluss — dein Café-Gedanke

Wenn du das nächste Mal am Cappuccino nipst und die Börsenkurse flackern: denk an die Uhr, nicht an die Schlagzeile. Halvings sind Zahnräder, Adoption ist die S-Kurve, Modelle sind Landkarten. Und wir stehen noch am Anfang der Geschichte.

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